Steuerhinterziehung durch Unterlassen – was heißt das? 

Steuerhinterziehung durch Unterlassen

Was bedeutet Steuerhinterziehung? Diese Frage haben wir bereits in diesem älteren Beitrag ausführlich beantwortet. Diesmal werfen wir jedoch einen genaueren Blick auf den Teilaspekt „Steuerhinterziehung durch Unterlassen“.

Der Tatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen bezieht sich auf den Sachverhalt, dass die Finanzbehörde pflichtwidrig zu steuerlich erheblichen Tatsachen in Unkenntnis gelassen wird und in Folge dessen der Steuerpflichtige ungerechtfertigt Steuervorteile erlangt hat. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang der “Zustand der Unkenntnis” der Finanzbehörden. 

Steuerhinterziehung durch Unterlassen: § 370 Abs. 1 Nr. 2 

Der Tatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist in § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ausgestaltet. Hier heißt es: 

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(vgl.: dejure.org – § 370 Steuerhinterziehung)

Es kann jedoch nur derjenige Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen sein, der gemäß § 149 Abs. 1 Satz 1 AO dazu verpflichtet ist, steuerlich erhebliche Tatsachen aufzuklären

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Pflichtverletzung bei Offenbarung steuererheblicher Tatsachen 

Steuerpflichtige sind durch die Steuergesetze an zahlreiche Pflichten gebunden, z.B.: 

  • Verpflichtung zur Steuererklärung/Steueranmeldung 
  • Erfassungspflicht 
  • Berichtigungspflicht nach § 153 AO 

Dabei ist jedoch zu bedenken, dass allein das pflichtwidrige Verhalten des Steuerpflichtigen nicht automatisch als Steuerhinterziehung einzustufen ist. Erst wenn der Steuerpflichtige erfolgreich Steuern verkürzt hat (also den Tatbestandserfolg herbeiführt), ist von einer Steuerhinterziehung auszugehen. 

Zu den steuerlichen Fehlverhalten gehören z.B. folgende Fälle: 

  • keine oder verspätete Abgabe von Steuererklärung, Steuervoranmeldung oder sonstigen Anmeldung (das sind die häufigsten Fälle im Bezug auf Steuerhinterziehung durch Unterlassen) 
  • Verletzung von Erfassungspflichten 
  • Berichtigung von Erklärungen unterlassen, sofern sie unvollständig oder falsch sind  
  • zweckwidrige Verwendung wurde nicht angezeigt 

„Zustand der Unkenntnis“ beim Vorwurf der Steuerhinterziehung durch Unterlassen 

Hintergrund ist hier die Tatsache, dass dem Finanzamt durch die elektronische Datenübermittlung Dritter, wie z.B. durch Banken, Versicherungen oder Sozialversicherungsträger, bereits zahlreiche steuerrechtlich relevante Daten vorliegen. Da stellt sich die Frage, ob der Steuerpflichtige überhaupt noch Daten mitteilen kann, die den Finanzbehörden nicht ohnehin vorliegen.  

Laut Urteilen des OLG Köln sowie des OLG Oldenburg (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.01.2017 – III-1 RVs 253/16 und OLG Oldenburg, Beschluss vom 10.07.2018 – 1 Ss 51/18) kommt eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht in Betracht, wenn die Finanzbehörde Kenntnis von den steuerlich relevanten Umständen hat.  

Laut den OLG befindet sich die Finanzbehörde in dem Fall nicht im „Zustand der Unkenntnis“, der wiederum Voraussetzung für den Tatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen wäre. Denn in dem Fall ist der oben aufgeführte Wortlaut nach § 370 AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt. Durch die Kenntnis der steuerlich relevanten Umstände kann das Finanzamt auch ohne Steuererklärung einen Steuerbescheid erlassen.  

Entscheidungen der Finanzgerichte in Düsseldorf und Münster haben sich 2021 und 2022 diesem Urteil angeschlossen (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 26.05.2021, 5 K 143/20 U und FG Münster, Urteil vom 24.06.2022, 4 K 135/19 E

Ob die Finanzbehörde wirklich im „Zustand der Unkenntnis“ liegt, ist aber jeweils im Einzelfall zu prüfen, da es immer darauf ankommt, welche steuerrechtlich relevanten Informationen der Behörde vorliegen und ob diese Informationen ausreichen, einen Steuerbescheid zu erlassen.  

So liegt eine Unkenntnis des Finanzamtes z.B. vor, wenn der Behörde zwar grundsätzlich der Sachverhalt bekannt ist, ihr jedoch die konkreten Daten für die steuerliche Erfassung fehlen. Das wäre der Fall, wenn die betreffende Person einen umsatzsteuerpflichtigen Gewerbetrieb betreibt, aber keine Umsatzsteuervoranmeldung bzw. Umsatzsteuerjahreserklärung abgibt.  

Achtung! Selbst wenn das Finanzamt automatisch Daten erhält, entbindet das nicht von der Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung! Viele Steuerpflichtige bleiben dennoch in zahlreichen Fällen zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet. 

Gegen Sie wird der Vorwurf der Steuerhinterziehung durch Unterlassen erhoben? Nehmen Sie Kontakt zu unseren Rechtsexperten auf und lassen Sie sich dazu beraten!



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Von Dr. Christopher Arendt

Dr. Christopher Arendt ist bei ACCONSIS für folgende Themenbereiche verantwortlich: • Steuerrecht • Steuerstrafverfahren • Selbstanzeige • Erbschaftsteuerhinterziehung • Kapitalanlagerecht Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht interessiert er sich vor allem für den hochaktuellen Bereich Kryptohandel (u.a. Digitale Erträge, NFT, Airdrop). Neben den steuerrechtlichen Themen interessiert sich der Familienvater vor allem für zeitgenössische Künstler (gerne auch digital in Form von NFTs). Hr. Dr. Arendt ist seit 2012 im Unternehmen tätig und seit 2019 Mitglied der Geschäftsführung. Zuvor sammelte er seine Berufserfahrungen in einem größeren Medienunternehmen in München und verbrachte einen Teil des Referendariats in Washington D.C. und Singapur. Zu seinen Mandanten zählen viele Ärzte und Heilpraktiker, aber auch mit den Anforderungen in der Hotellerie und Gastronomie ist er gut vertraut. Für den DEHOGA Bayern hält er regelmäßig Schulungen zur Kassenführung und Verfahrensdokumentation. Hr. Dr. Arendt ist Mitglied im Deutschen Anwaltsverein (DAV) und veröffentlicht regelmäßig Rechtsbeiträge, etwa für den Beck-Verlag und auf anwalt.de. Kontakt: Telefon +49 89 547143 c.arendt@acconsis.de Aktuelle Beiträge/ Veröffentlichungen: • beck.de/ Beck-Verlag, Zugänge in Kryptowährungen abbilden, dokumentieren und verbuchen – Anwendungsfall, 10/2022 €uro/ Börse-Online, Kryptische Steuerregeln, Ausgabe 07/2022 BR24, Rentenerhöhung: Böse Überraschungen vom Finanzamt vermeiden, 01.07.2022 beck.de/ Beck-Verlag, Virtuelle Währungen und Token: Einzelfragen zur steuerlichen Behandlung, 06/2022 €uro am Sonntag, Wie der Fiskus auf Gewinne aus Kryptowährungen zugreifen darf, ist für viele Investments noch nicht klar geregelt. Auf welche Fallstricke Anleger achten sollten, 27.02.2022 Börse-Online, Krypto-Investments bei Teenagern: “Gefahr von Steuerstraftaten”, 17.02.2022 FOCUS, Türkisches Steuerschlupfloch bald dicht – das trifft Millionen Menschen in Deutschland, 19.08.2021 Börse-Online, Schwarzgeld: „Nicht jeder muss eine Selbstanzeige abgeben“ – Was Sie mit Konten und Depots in der Türkei beachten sollten, 18.08.2021 Deutsch Türkisches Journal, Warum Sie Vermögen und Einkünfte in der Türkei nun melden sollten, 27.06.2021 Business Insider, Nach Zugriff von deutschen Finanzämtern auf türkische Konten: Anwalt rät Türken in Deutschland zur Selbstanzeige, 10.06.2021 Internet World, Nach Gerichtsurteil: AirBnB-Privatvermietern droht Ärger mit dem Finanzamt, 19.03.2021 Börse-Online, Schwarzgeld: Türkei liefert Bankdaten nicht an Deutschland aus – Verzögerungsgrund unklar, 18.01.2021 Patchwork-Familie: Meins. Deins. Unser. So regeln Sie Geld- und Rechtsfragen (Maren Lohrer), Sparpotentiale nutzen von Dr. Christopher Arendt, Verbraucherzentrale NRW/ Düsseldorf, 1. Auflage/ Nov. 2020, S. 107-117