Steuerrechtliche Folgen der Scheinselbstständigkeit

Scheinselbstständigkeit Steuerrecht

Scheinselbstständigkeit kann für viele Selbstständige ohne Angestellte zum Problem werden. Dabei sind jedoch beide Seiten in der Verantwortung: der Auftraggeber und der Auftragnehmer. Neben den finanziellen Folgen bei der Feststellung einer Scheinselbstständigkeit sind auch mögliche steuerstrafrechtliche Folgen zu bedenken.  

Scheinselbstständigkeit und Steuerrecht – die wichtigsten Fakten 
 
  • Form der Schwarzarbeit – Auftraggeber umgeht Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge
  • Feststellung durch Betriebsprüfung, Finanzamt, Rentenversicherung, Arbeitsgericht, Krankenversicherung, Hauptzollamt 
  • bei Feststellung der Scheinselbstständigkeit werden Steuernachzahlungen fällig 
  • Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung oder der Steuerhinterziehung nach § 370 AO kommen in Betracht – Folgen: Geld- oder Freiheitsstrafe

Was bedeutet Scheinselbstständigkeit? 

Wenn ein Freelancer formal selbstständig für ein Unternehmen tätig ist, aber wie ein Angestellter behandelt wird, dann liegt eine Scheinselbstständigkeit vor. Der Auftraggeber erhält Leistungen wie von einem Angestellten, zahlt dafür aber ein Freelancer-Honorar. Damit spart sich der Auftraggeber Sozialversicherungsbeiträge sowie die Entgeltfortzahlung für Urlaub oder für den Krankheitsfall.  

Warum ist Scheinselbstständigkeit ein Problem? 

Der Gesetzgeber sieht die Scheinselbstständigkeit als eine Form der Schwarzarbeit an, denn sie widerspricht dem Prinzip des Sozialstaats: Eigentlich ist der Selbstständige in dieser Situation vom Unternehmen abhängig, er profitiert im Gegenzug aber nicht von den Privilegien eines Angestellten. Außerdem zahlt der Auftraggeber dadurch keine Sozialversicherungsbeiträge.  

Grauzone Scheinselbstständigkeit – ab wann gilt man als scheinselbstständig? 

Was bedeutet es genau, „wie ein Angestellter behandelt zu werden“? Was unterscheidet einen Scheinselbstständigen von „richtigen“ Freelancern? In der Praxis ist es nicht immer eindeutig, ob wirklich eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, vor allem wenn sich dieser Status erst im Laufe der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Freelancer entwickelt hat.  

Es wird daher immer im Einzelfall geprüft, inwieweit der Selbstständige mit dem Unternehmen „verknüpft“ ist. Darüber hinaus gibt es mehrere Merkmale, die auf eine Scheinselbstständigkeit hindeuten

  • Freelancer wird fest in die Unternehmensprozesse eingebunden und kann daher nicht mehr unabhängig vom Auftraggeber seine Arbeitsweise selbst bestimmen 
  • Freelancer arbeitet weisungsabhängig 
  • wirtschaftliche Abhängigkeit des Freelancers: er generiert ca. 85 Prozent seines Einkommens aus den Aufträgen eines Auftraggebers 
  • Freelancer nutzt Ausstattung des Auftraggebers 
  • Freelancer hat Zugang zum Unternehmen über Schlüssel, Zugangscodes oder Ähnliches  
  • Freelancer muss seine Anwesenheiten/seinen Urlaub mit dem Auftraggeber abstimmen 

Dass ein Freelancer nur für einen Auftraggeber tätig ist, ist übrigens kein eindeutiges Zeichen für eine Scheinselbstständigkeit. Es kann durchaus passieren, dass ein Selbstständiger nur für einen Auftraggeber arbeitet, weil es sich um ein sehr umfangreiches Projekt handelt und er dadurch gerade keine anderen Aufträge ausführen kann.   

Wichtig ist daher immer die Betrachtung des Gesamtbildes: Es kann sein, dass das Auftragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zwar einige Merkmale einer Scheinselbstständigkeit zeigt, in der genauen Betrachtung aller Details der Tätigkeiten jedoch eindeutig eine „richtige“ Selbstständigkeit vorliegt.  

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Welche Folgen hat die Scheinselbstständigkeit für den Auftraggeber und Auftragnehmer aus steuerrechtlicher Sicht? 

Wird eine Scheinselbstständigkeit festgestellt, müssen die Betroffenen neben den Nachzahlungen für Sozialabgaben auch Steuernachzahlungen leisten. Außerdem können Strafzahlungen hinzukommen.  

Auch wenn aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht ein Arbeitnehmerstatus vorliegt, bedeutet das nicht automatisch, dass der Scheinselbstständige aus steuerlicher Sicht als Arbeitnehmer angesehen wird. Er kann auch weiterhin als Unternehmer eingestuft werden. Je nachdem ergeben sich zwei verschiedene Abrechnungen

Scheinselbstständiger als Arbeitnehmer 

In dem Fall muss eine Rechnungsberichtigung der bisher ausgewiesenen Umsatzsteuer erfolgen. Der Auftraggeber muss die zu Unrecht an den Auftragnehmer gezahlte Umsatzsteuer zurückfordern. Außerdem ist eine Berichtigung der Umsatzsteuererklärung-/voranmeldung erforderlich.  

Scheinselbstständiger als Unternehmer 

Der Auftragnehmer stellt in dem Fall weiterhin Rechnungen, während der Auftraggeber Beitragsschuldner für die Sozialversicherungsbeiträge ist. Der Auftraggeber muss den Arbeitnehmeranteil vom Rechnungsbetrag einbehalten und an die Krankenkasse abführen. Von den Arbeitnehmeranteilen wird Umsatzsteuer erhoben.  

Lohnsteuer 

Das Finanzamt kann eine Nachzahlung rückwirkend bis zu vier Jahre fordern, wobei zusätzlich Säumniszuschläge fällig werden. Die Lohnsteuer wird zwar vom Arbeitnehmer gefordert (gemäß § 38 II S. 1 EStG), Arbeitgeber haften (gemäß § 42 d I Nr. 1 EStG) aber auch im Fall einer Scheinselbstständigkeit dafür, dass die Steuer einbehalten und abgeführt wird. Auftragnehmer und Auftraggeber werden also zu Gesamtschuldnern.  

Steuerhinterziehung durch Scheinselbstständigkeit 

Die festgestellte Scheinselbstständigkeit kann neben den finanziellen Folgen auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Wurden Steuern nicht oder nicht vollständig gezahlt, kann eine leichtfertige Steuerverkürzung als Tatbestand in Betracht kommen, was die Festsetzungsfrist auf fünf Jahre erhöht. Bei vorsätzlichem Handeln droht eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO, was wiederum eine Geld- oder Freiheitsstrafe nach sich ziehen kann. Bei Steuerhinterziehung erhöht sich die Festsetzungsfrist auf zehn Jahre. 

In beiden Fällen – leichtfertige Steuerverkürzung und Steuerhinterziehung – ist eine strafbefreiende Selbstanzeige für Auftraggeber und Auftragnehmer möglich. 

In der Praxis tritt der Tatbestand nach § 266a StGB (Vorenthaltung und Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen) oft zusammen mit dem Tatbestand der Steuerhinterziehung auf. Geklärt werden muss in dem Fall, ob es sich um eine prozessuale Tat handelt, was sich wiederum auf die Zuständigkeit der ermittelnden Behörde auswirkt. 

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf das Thema Steuerstrafrecht und berät Sie auch zu den möglichen steuerstrafrechtlichen Auswirkungen der Scheinselbstständigkeit. Kontaktieren Sie uns.


Wie kommt es zu einer Prüfung auf Scheinselbstständigkeit? 

Um Scheinselbstständigkeit aufzudecken, gibt es Prüfungen durch die Finanzämter und die Rentenversicherung.  

Die Prüfung kann außerdem durch eine Anzeige von außen oder eine regelmäßige Betriebsprüfung erfolgen. Weiterhin sind Prüfungen möglich durch: 

  • das Arbeitsgericht 
  • die Krankenversicherung 
  • das Hauptzollamt 

Sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer können selbst einen Antrag auf Statusfeststellung bei der Deutschen Rentenversicherung stellen. Allerdings ist die Feststellung des Status einer Scheinselbstständigkeit nur möglich, wenn nicht schon durch einen Rentenversicherungsträger oder die Einzugsstelle ein entsprechendes Verfahren eingeleitet wurde. 

Fazit: 

Scheinselbstständigkeit ist allein aufgrund der vielfältigen Aspekte, die dazu führen können, ein sehr komplexes Thema. Die Feststellung einer Scheinselbstständigkeit kann erhebliche Nachzahlungen zur Folge haben, sowohl für den Auftraggeber als auch den Auftragnehmer. Je nach Sachlage sind auch Geld- oder Freiheitsstrafen möglich. 

Es ist daher die beste Entscheidung, frühzeitig einen Steuerberater zur Problematik heranzuziehen, um später hohe Nachzahlungen und ggf. Strafen zu vermeiden.  

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Bildquelle:

© lhphotos – stock.adobe.com

Von Dr. Christopher Arendt

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