Der Standort eines Unternehmens hat immense Auswirkungen auf die Höhe der Gewerbesteuern. Dies hat den Hintergrund, dass jede Gemeinde selbst die Höhe des Gewerbesteuerhebesatzes und damit schlussendlich die abzuführende Gewerbesteuer festlegt. Daraus ergeben sich teils sehr große Unterschiede zwischen der Steuerbelastung in Großstädten und in kleineren Städten. Das wiederum könnten Unternehmen nutzen, um durch die „Trennung“ von Satzungssitz und Verwaltungssitz von den günstigeren Steuern zu profitieren. Unser aktueller Beitrag wird zeigen, ob das legal oder ein Fall von Steuerhinterziehung ist.
Zum Hintergrund: Unterschied zwischen Satzungssitz und Verwaltungssitz
Beim Unternehmenssitz sind der sogenannte Satzungssitz und der Verwaltungssitz zu unterscheiden:
Satzungssitz:
Dabei handelt es sich um den Betriebsmittelpunkt (bei mehreren Niederlassungen die Hauptniederlassung). Im Allgemeinen wird der Satzungssitz im Gesellschaftsvertrag festgelegt. Bei Genossenschaften und Kapitalgesellschaften ist die Festlegung im Gesellschaftsvertrag zwingend vorgeschrieben.
Gesetzliche Grundlage dafür ist § 11 der Abgabenordnung (AO):
„Den Sitz hat eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist.“
Der Satzungssitz ist für die Zuständigkeit von Prozessgericht, Registergericht und Insolvenzgericht relevant. Er muss sich immer im Inland befinden.
Verwaltungssitz:
Als Verwaltungssitz wird der Ort bezeichnet, an dem die Geschäftsleitung ihre Tätigkeit ausübt und die gesamten Geschäfte verwaltet. Das kann zeitgleich der Satzungssitz sein – in dem Fall sind die beiden Sitze identisch – kann aber bei bestimmten Gesellschaftsformen (z.B. GmbH und AG) auch ein anderer Ort sein. Seit 2008 können Unternehmen ihren Verwaltungssitz auch ins Ausland verlegen.
Wichtig ist der Verwaltungssitz auch aus steuerlicher Sicht – er bestimmt, welches Finanzamt für das Unternehmen zuständig ist und welcher Gewerbesteuer-Hebesatz für das Unternehmen anfällt.
Was ist bei der Geschäftsadresse zu beachten?
Grundsätzlich ist es erforderlich, dass die Kapital-Gesellschaft eine Geschäftsanschrift hat, unter der sie zu erreichen ist. Hier ist der Post und ggf. Parteiverkehr zu ermöglichen.
Ob dieses nun am Ort des Verwaltungs- oder Satzungssitzes sichergestellt ist, ist regelmäßig irrelevant, weil sich beide “Sitze” überwiegend am gleichen Ort (an der gleichen Adresse) befinden.
In Satzungen wird der Satzungssitz ganz überwiegend nur mit der zuständigen Gemeinde (also ohne konkrete Anschrift) genannt. Dies genügt den gesetzlichen Anforderungen und ermöglicht zugleich eine gewisse Flexibilität, da Satzungsänderungen stets “mit einem Notartermin” verbunden werden müssen.
Fallen Satzungssitz und Verwaltungssitz auseinander, so ist über eine Geschäftsanschrift (die ja neben dem Satzungssitz auch im Handelsregister zu veröffentlichen ist) sicherzustellen, wo die Gesellschaft zu erreichen ist. Hier ist der Post und ggf. Parteiverkehr zu ermöglichen. In diesen Fällen ist es nicht erforderlich, dass zudem auch am Satzungssitz eine ladungsfähige Adresse vorhanden ist.
Warum kann diese Unterscheidung ein Fall für Steuerhinterziehung sein?
Die Gewerbesteuer-Hebesätze sind von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Kleinere Gemeinden verlangen in der Regel einen deutlich niedrigeren Hebesatz als größere Städte. Seit 2004 sind die Gemeinden in Deutschland dazu verpflichtet, einen Hebesatz von mindestens 200 % anzuwenden. Mit diesem Mindesthebesatz soll der Entstehung von Gewerbesteueroasen entgegengewirkt werden. Zum Vergleich: In München beträgt der aktuelle Hebesatz 490 %. Im Münchener Umland liegt er zwischen 240 % und 350 %.
Ergo: Auch wenn der Hebesatz mindestens 200 % beträgt, so kann die Verlegung des Verwaltungssitzes an einen geringer besteuerten Ort mit immensen Ersparnissen bei der Gewerbesteuer verbunden sein. Mit einer gezielten gesellschafts- und steuerlichen Strukturierung können bestimmte Gesellschaftsformen (u.a. GmbH, AG) dies für sich nutzen. Durch eine geschickte Verlegung und Aufteilung von Satzungs- und Verwaltungssitz kann eine geringere Gewerbesteuerbelastung erreicht werden. Dies ist grundsätzlich ein legitimes Verfahren, welches erstmal keine Steuerhinterziehung darstellt.
Allerdings funktioniert dieses Vorgehen nur dann, wenn am Verwaltungssitz tatsächlich eine Betriebsstätte unterhalten wird.
Was unter dem Begriff „Betriebsstätte“ zu verstehen ist, wird in § 12 AO definiert:
„Betriebstätte ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Als Betriebstätten sind insbesondere anzusehen:
- die Stätte der Geschäftsleitung,
- Zweigniederlassungen,
- Geschäftsstellen,
- Fabrikations- oder Werkstätten,
- Warenlager,
- Ein- oder Verkaufsstellen,
- Bergwerke, Steinbrüche oder andere stehende, örtlich fortschreitende oder schwimmende Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen,
- Bauausführungen oder Montagen, auch örtlich fortschreitende oder schwimmende, wenn
a) die einzelne Bauausführung oder Montage oder
b) eine von mehreren zeitlich nebeneinander bestehenden Bauausführungen oder Montagen oder
c) mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende Bauausführungen oder Montagen
länger als sechs Monate dauern.“
Diese Definition gilt sowohl für die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer als auch für die Gewerbesteuer. Daneben regelt das Gewerbesteuergesetz, die hebeberechtigte Gemeinde aufgrund der Betriebsstätte:
„Die stehenden Gewerbebetriebe unterliegen der Gewerbesteuer in der Gemeinde, in der eine Betriebsstätte zur Ausübung des stehenden Gewerbes unterhalten wird.“ (GewStG § 4, Abs. 1)
Das heißt im Umkehrschluss: Das Finanzamt erkennt einen Unternehmenssitz nur dann als Betriebsstätte an und damit als Verwaltungssitz, wenn von dort dauerhaft die geschäftsleitende Tätigkeit ausgeht.
Wird also der Verwaltungssitz in einen gewerbesteuerrechtlich günstigeren Ort verlegt, obwohl die dauerhafte Geschäftstätigkeit eigentlich an einem anderen Ort – dem Ort mit dem höheren Hebesatz – dauerhaft ausgeführt wird, so liegt an dem angegebenen Verwaltungssitz keine Betriebsstätte vor. Vielmehr werden entgegen den tatsächlichen Gegebenheiten die unterschiedlichen Hebesätze der Gemeinden ausgenutzt, was schlussendlich eine Gewerbesteuerhinterziehung darstellt. Denn in diesem Fall würde der (scheinbare) Verwaltungssitz lediglich die Funktion einer Briefkastenfirma einnehmen.
Fazit:
Von den geringeren Gewerbesteuern in kleineren Gemeinden/Städten können Unternehmen nur dann profitieren, wenn sich an diesem Ort wirklich die Betriebsstätte für die dauerhafte Ausübung der Geschäftstätigkeit befindet. Der Verwaltungssitz als reine Briefkastenfirma ist nicht steuerrechtskonform und stellt meist eine Steuerhinterziehung dar.
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Vielen Dank für die Ausführungen.
Der im letzten Absatz geschilderte Sachverhalt gilt dann sicherlich auch umgekehrt: eine hauptsächlich am Verwaltungssitz tätige Gesellschaft darf dann sicherlich nicht von günstigeren Hebesätzen am Satzungssitz profitieren, oder?
Generell: Wie wird so eine Verlegung des Verwaltungssitzes generell ausgestaltet? Ist eine Satzungsänderung notwendig? Eintragung im HR? Voraussetzungen?
Der Sitz der Gesellschaft ist Teil des Gesellschaftsvertrages und entsprechend beim Handelsregister zu vermerken. Wenn Sie neben dem formellen Sitz noch eine Betriebsstätte unterhalten, kann es zu der beschriebenen Steuerzerlegung kommen.
Vielen Dank für den guten Artikel. Ein Briefkasten reicht nicht – das ist klar. Habe ich für den Sitz der Geschäftsführung ein Shared-Office samt Briefkasten und kann nachweisen (z.B. durch Tankquittungen), dass ich z.B. 1x monatlich für relevante Geschäftsführertätigkeit vor Ort gewesen bin, ist es dann korrekt gelöst?
Auch wenn die operativen Tätigkeiten (z.B. Softwareentwicklung) an einem anderen Ort stattfinden, z.B. im Ort meines Wohnsitzes, wo ich ein weiteres Büro angemietet habe?
Danke für die Erläuterung.
Hier ist immer eine Gesamtschau vorzunehmen. Grundsätzlich gilt: Wenn an mehreren Orten Tätigkeiten für das Unternehmen ausgeübt werden, kommt es in der Regel zur gewerbesteuerlichen Zerlegung. In diesen Fällen wird die Gewerbesteuer faktisch zwischen den betroffenen Gemeinden (unter Berücksichtigung der jeweiligen Hebesätze) aufgeteilt.